Der Wert in 'Das Kapital'
Wert als Einheit
Wir lesen in der Sitzung weiter in [@Arndt2015][Seite 171f], worin es darum geht die formale Bestimmung der Einheit “Wert” voranzutreiben.
“Diese Einheit bezeichnet der ‘Wert’, ohne daß der Wert als normativ vorausgesetzte Einheitskategorie zu verstehen ist.”
Ganz im hegelschen Sinne als Einheit gefunden, ergibt sich der Wert als notwendig durch die Analyse der Ware. Der Begriff wird demnach von Marx dialektisch entwickelt und ist somit kein Konstituiertes oder Vorausgesetztes, sondern Resultat geistiger Reflexion.
"… nämlich [ist die Ware, SeS] ‘die einfachste gesellschaftliche Form, worin sich das Arbeitsprodukt in der jetzigen Gesellschaft darstellt’"
Marx setzt die Ware und deren Formbestimmung als Ausgangspunkt für seine gedankliche Entwicklung, um die jetzige Gesellschaft zu analysieren. Implizit ist hier auch nochmals der gesellschaftliche und historische Aspekt der Marxschen Theorie aufgezeigt – sie bedingt auf die Produktion und Gesellschaft, wie diese speziell für Kapitalismus eigen sind.
“Der Wert ist Formbestimmtheit des Produktes als Relation zur spezifischen Form gesellschaftlicher Arbeit in warenproduzierenden Gesellschaften,”
Wir sprechen von Gesellschaften, in welchen Waren produziert werden. Das heißt, das Produkt ist die Ware, deren Form es zu bestimmen gilt. Ein Aspekt dieser Formbestimmtheit ist der Wert, der sich aus der Analyse der Ware ergibt und im Tauschwert erscheint. Als Resultat der Analyse ergibt sich eine Bestimmung der Ware und deren Verhältnis zur gesellschaftlichen Arbeit, welche sich in ihrer abstrakten Form im Wert darstellt.
“nichts Absolutes”
Der Wert ist gesellschaftlichen und historischen Umständen ausgesetzt und ist demnach nicht losgelöst von diesen zu betrachten.
“keine Entität”
Der Wert ist kein Seiendes, nichts das existiert, sondern eine gedanklich entwickelte Einheit.
“sondern die Relation der Dinge zur gesellschaftlichen Arbeit”
Der Wert ist also das Resultat, das beschreibt, wie Waren und abstrakte Arbeit mit einander in Beziehung stehen.
“Als Wert ist die Ware ‘bloß Gesetztes’, bloß bestimmt durch ihr Verhältnis zur gesellschaftlich notwendigen, gleichen, einfachen Arbeitszeit.”
Schlägt man sich in der gedanklichen Betrachtung der Ware nur auf ihre Bestimmung als Wert, so erkennt man darin lediglich die oben genannte Relation, nämlich wie viel der abstrakten Arbeit in der Ware geronnen ist. Als solche ist sie lediglich eine rein gedanklich gewonnene Bestimmtheit.
“Im Tausch [jedoch, SeS] tritt die Ware ‘als Anweisung auf bestimmtes Quantum aller Darstellungen der gesellschaftlichen Arbeit’ auf.”
Nun wird die Ware als etwas betrachtet, das getauscht wird. Die Darstellungen der Gesellschaftlichen Arbeit sind hierbei die verschiedenen Tauschwerte, die eine Ware mit allen anderen Waren in Relationen setzen. Dieses Quantum ist bestimmt, weil es eine bestimmte Darstellung der gesellschaftlichen Arbeit in Form des bestimmten Werts der Ware ist.
“Die Einheit oder Gleichnahmigkeit der Waren als Werte ’entspringt nicht aus der Natur, sondern aus der Gesellschaft’”
Wiederum wird deutlich, dass die Einheit der Waren in dem Wert, ihre “Gleichheit” im Wert, nichts natürlich Gesetztes, oder axiomatisch Gegebenes ist, sondern aus der speziellen Form der Gesellschaft entspringt, weil die besondere Form der gesellschaftlichen Arbeit und damit Warenproduktion ihre Grundlage ist.
Wert als spezifische historische Form
“So bestimmt, scheint der ‘Wert’ nichts anderes auszudrücken als das gesellschaftliche Naturgesetz der proportionellen Verteilung der Arbeit und nicht spezifisch für den Kapitalismus […] zu sein.”
Man könnte nun die Analyse von Marx als eine allgemeingültige verstehen, da der Wert gesetzmäßig ein Ausdruck für die gesellschaftliche Arbeit für die Produktion einer Ware zu sein scheint. Das heißt, dass die Form des Wertes und dessen Bezug zur Ware auch in nichtkapitalistischen Formen des Wirtschaftens so zu bestimmen sein sollte.
“Formspezifisch scheint der Tauschwert als ‘Erscheinungsform’ des Wertes zu sein.”
Ein spezieller Tauschwert, der zwei Waren ins Verhältnis bringt, ist nur die spezieller Erscheinungsform, deren Grundlage der ‘Wert’ bildet.
"… in den ‘Randglossen zu Wagner’ erklärt er jedoch den ‘Wert’ eindeutig zur spezifischen historischen Form"
Der Wert erhält seine ihm zukommenden formalen Bestimmungen nur im historischen und damit zwingend auch nur im gesellschaftlichen Kontext. Das heißt, dass es sich bei der Analyse der Wertform nicht um ein ewiges Naturgesetz handelt. Dies wird auch dadurch deutlich, dass Marx immer von abstrakter gesellschaftlicher Arbeit spricht. Darin sind Strukturen, wie die Einteilung in Gesellschaftsklassen, die Form der Warenmärkte, die technologische Entwicklung und die juristischen Rahmenbedingungen, wie die Existenz von Privateigentum und Privatgrund, mit eingeschlossen.
Dieser Verweis auf die spezifische historische Form wird vor allem im Vergleich mit anderen Modellen der Produktion deutlich.
“Während in diesen Modellen die konkrete, besondere Arbeit unmittelbar gesellschaftlichen Charakter hat und das Maß der besonderen Arbeit, die Arbeitszeit, unmittelbar gesellschaftliches Maß ist, …”
Hierbei ist das Adjektiv “unmittelbar” entscheidend. Denn in diesen anderen Gesellschaften wird der Wert direkt durch die Quantität der in der Ware verwirklichten speziellen Arbeit bemessen. Das heißt implizit, dass der Wert in diesen Gesellschaften nicht ‘bloß [gedanklich, SeS] Gesetztes’ (s.o.) ist, und es heißt auch, dass er nicht als die von Marx entwickelte Einheit der verschiedenen speziellen Tauschwerte erscheint. Denn durch die unmittelbare Beziehung kann der Wert nichts allgemeines, abstrahiertes sein, da dessen Bestimmung nur direkt über die spezielle Ware und die deshalb notwendige spezielle Arbeit erfolgen kann.
"… nimmt in der Warenproduktion die Arbeit erst dann gesellschaftlichen Charakter an, wenn sie durch den [blinden, SeS] Tausch der Produkte auf abstrakt-allgemeine Arbeit als deren Substanz und immanentes Maß reduziert wird."
Hierbei soll “blind” verdeutlichen, dass im Tausch von jeglichen Gebrauchswerten abstrahiert wird und damit auch von jeglicher spezieller Arbeit, die diese Gebrauchswerte erzeugt. Hieraus resultiert die Notwendigkeit der abstrakten Arbeit, welche dann den Waren inhärent als Bestimmung der Wertform zugrunde liegt.
“Diese Form der gesellschaftlichen Arbeit bildet den Inhalt der Kategorie ‘Wert’, der damit spezifisch als historische Form bestimmt ist.”
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