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Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse

Wille zur Wahrheit

“Der Wille zur Wahrheit” ist nach Nietzsche eine bloße Verführung, der die Menschen beziehungsweise die Menschheit verfallen zu sein scheinen. Insbesondere die Philosophen scheinen von der Wahrheit “mit Ehrerbietung” zu sprechen. Aristoteles beginnt beispielsweise mit dem Satz “Die Menschen streben von Natur aus nach Wissen”, welcher gut veranschaulicht, was N. aussagen möchte.

N. fährt fort uns zu einem misstrauischen Gedanken anzustoßen, welche hinterfragen soll “was” in uns eigentlich diese Fragen an die Welt stellt, welche wir, die Wahrheits suchenden, in uns selbst vorfinden. Welcher Teil vom Mensch “will” eigentlich zur Wahrheit? Weiter kann man nach dem “Werthe dieses Willens” fragen. (Es bleibt noch zu klären, was Nietzsche mit Werth überhaupt meint. Es scheint drei Möglichkeiten zu geben. 1. Der Werth entscheidet zwischen gut und böse; 2. Der Werth entscheidet zwischen hilfreich und nicht hilfreich für die Menschen; 3. Vielleicht auch beides zugleich?) Es wird die Frage in den Raum gestellt, warum es besser sei “Wahrheit” der “Unwahrheit” vorzuziehen. Dabei ist abzuwägen, worin der Wert der Wahrheit, beziehungsweise der Mehrwert des Wissens gegenüber dem Unwissen besteht.

Gegensatz der Werthe

N. beginnt damit zu erfragen, wie “Etwas aus seinem Gegensatze” entstehen könnte. Hierbei nennt er Beispiele, wie Wahrheit und Irrtum oder Wille zur Wahrheit und Wille zur Täuschung. Er zitiert die Ansicht, dass diese Gegensätze niemals aus einander entstehen könnten; wobei alle Anderen, die verschiedener meinung sind, als Narren bezeichnet werden. Das Hindernis hierbei soll die verworrene und vergängliche Welt sein, dieses Sammelsurium von Einzeldingen und Begierden. Der Ursprung der “höchsten Wahrheiten” wird hierbei in Abstrakta projiziert, wie dem Sein, dem Ding an Sich oder in Gott. die Argumentation hierbei ist, dass etwas Allgemeines und Reines nicht in der hießigen Welt zu finden sein kann, da diese Erkenntnisse rein sein müssen. Dies stellt aber N. als einen Irrtum hervor, welcher darauf beruht, dass sich scheinbar nur die Wahrheit zu suchen lohnt und dabei wird nie der “Trieb” zur Wahrheit hin untersucht, sondern als gegeben angenommen und sich diesem unreflektiert hingegeben. Dies bezeichnet N. als den Gegensatz der Werte, weil scheinbar die Wahrheit in ihrem Werte der Unwahrheit genau gegenüber zu stehen scheint. Doch diese Wertschätzung ist bislang nicht begründet worden. (In diesem Abschnitt scheint N. auf Kant, Hegel, Leibnitz? und Descartes Bezug zu nehmen)

Nietzsche fährt fort zu erläutern, dass selbst “die Vorsichtigsten” diese Reflektierung nicht vollzogen haben und somit beim Prozess des Zweifelns nicht über diese “Schwelle” hinweg gestiegen sind. Dabei gibt es an dieses Stelle einige Annahmen, die anzweifelbar sind.

Zunächst kann man die Existenz der obigen Gegensätze anzweifeln. Weiterhin kann man die kritische Position beziehen, dass die Wertung von Wahrheit als etwas der Unwahrheit höheres eine voreilige ist. Dies in zweierlei Hinsicht. Zunächst muss dieser Wertunterschied objektiv gar nicht existieren, er könnte sogar umgekehrt gelagert sein. Zweitens scheint der Wert auch immer an das Kriterium der Beurteilung geknüpft zu sein. Zwar versucht die Philosophie Wahrheiten logisch abzuleiten, doch warum sollten Wahrheiten und logisches schließen Zielführend sein? Der Mensch stellt sich in vielen Situation als ein wahrhaft irrationales Wesen heraus; auch noch in der heutigen Zeit. Zwar hat die Philosophie versucht sich selbst zu formalisieren, indem sie die Methoden der Mathematik benutzt, um Wahrheit zu formulieren, doch vielleicht ist die Logik gar nicht das richtige Mittel zum Zweck. Vor allem dann nicht, wenn Wahrheiten gar nicht zielführend sind. Drittens könnte man anführen, dass sich die Logik in Mathematik und in weiten Teilen der Naturwissenschaften – soweit diese sich mathematisieren ließen – als hilfreiches Mittel zur Erkenntnis erwiesen hat. Hierbei ist die Wahrheit auch von großem Werte, denn ob eine Rechnung stimmt oder nicht kann darüber entscheiden, ob eine Maschine ihren Dienst vollrichten kann, oder ob ein Bauwerk stabil konstruiert ist. Doch warum die Logik ein hilfreiches Mittel zur Erkenntnis von philosophischen Wahrheiten ist, wurde noch nicht hinreichend hinterfragt.

Nietzsche geht sogar so weit, dass der einzige Wert, den die vornehmlich als positiv angehenen Tugenden haben, darin bestehen könnte, dass sie mit den vornehmlich als schändlich angesehenen irgendwie verworren sind. Das heißt ihr Wert erschließt sich nur über den Umweg der Untugend. Nietzsche bezeichnet es mit einem bedenklichen “Vielleicht”, dass das Wesen von Wahrheit und Unwahrheit das gleiche sein könnte.

Instinkte in der Philosophie

Nietzsche behauptet – nach angeblichem intensivem Studium der bisherigen Philosophen, dass man den größten Teil des bewussten Denkens immernoch zum Unbewussten rechnen müsse, worunter auch das Philosophieren fällt. Nur weil man etwas mit “Bewusstsein” vollbringt, wie einen Denkprozess, so heißt dies noch nicht, dass man wider seiner Instinkte handelt. Er fährt fort indem er postuliert, dass der gemeine Philosoph von seinen Instinkten “heimlich” geführt und in bestimmte “Bahnen” gezwungen werde. Damit scheint er den meisten Philosophen seiner nahen Vergangen abzuerkennen, dass diese aufgeklärte und kritische Denker gewesen sind. Denn wäre dem so, könnten diese nicht diesem sehr tiefgreifenden Irrtum verfallen sein.

Nietzsche stellt sogar die Logik als etwas selbstherrliches dar, welche Wertschätzungen enthält, die den physiologischen (Was ist damit genau gemeint?) Forderungen nachgeben eine “bestimmte Art von Leben” zu erhalten. Bestimmte Werteinschätzungen werden als solche entlarvt, sie sind bloße Schätzungen oder “Niaiserien”.

Die neue Sprache

Nietzsche formuliert seine “neue Sprache” in dem Satz “Die Falschheit eines Urteils ist uns noch kein Einwand gegen ein Urteil.”, wobei er zugibt, dass dieses befremdlich klingen mag. Diese Befremdlichkeit ist jedoch gleichzeitig Ausdruck unserer angeblich missgeleiteten Instinks; es ist also absolut zu erwarten, dass “unsereins” diese Aussage nicht akzeptieren kann. Doch es scheint zu dämmern, dass es kurzsichtig ist, den Wert einer Aussage nur an ihrem Wahrheitsgehalt festzumachen. Nun geht N. so weit zu statuieren, dass es eine “Verneinung des Lebens” wäre, auf falsche Urteile zu verzichten. Im gleichen Zuge bezeichnet der die Logik als Fiktion Unter Umständen ist hiermit gemeint, dass die Logik eine Erfindung der Menschen ist, da dieser in der Empirie nicht zu finden ist. Es ist also nicht negativ behaftet, wenn die Logik als fikitv angesehen wird, sondern nur hervorgehoben, dass die “Natur” eine solche nicht kennt. Zur Logik stellt N. auch die Welt des Unbedingten (Hegel?) und das “Sich-Selbst-Gleichen” (Hegel?) und die Fälschung der Welt durch die Zahl. Hierbei geht es darum, dass die Zahl etwas Abstraktes und Allgemeines ist, welches genutzt wird um die Welt zu beschreiben, aber diese Beschreibung nach Nietzsche eine Fälschung ist. Sollte dies wahr sein, ergeben sich zwei Schlüsse. Der erste ist, dass eine Welt nicht mit Abstrakta beschreibbar zu sein scheint, oder zumindest nicht mit der Sprache der Mathematik. Andererseits führt damit jegliche angeblich genauere Beschreibung in eben jener Sprache zu einem stärker verworrenen Irrtum. (What do?) Nun fällt die erste Erwähnung des Titels der Arbeit, denn er behauptet, dass eine Philosophie, die sich über diese angeblich voreiligen Wertungen hinwegsetzt, schon allein deshalb “jenseits von Gut und Böse” angesetzt ist.

Unredliche Philosophen

Nietzsche fährt fort die Denkweise der bisherigen Philosophen bloß zu stellen, indem er ihnen Unredlichkeit vorwirft. Dabei bemerkt er auch, dass dies weit mehr verwerflich ist, als die Tatsache, dass diese sich unverschuldet irren und mit “Kindereien” abgeben. Diese Philosophen würden nämlich “ihre eigentlichen Meinungen” als einer “kalten, reinen [..] Dialektik” entsprungen präsentieren. Er unterstellt hierbei, dass ein Einfall oder eine Eingebung nachträglich mit nachher erdachten und entwickelten Gründen fundiert wird. Diese Unredlichkeit verstärkt sich dadurch, dass diese Ergebnisse nach Nietzsche Vorurteile sind, welche nachträglich zu “Wahrheiten” proklamiert werden. Er bezeichnet es als eine “Tartüfferie” (Heuchelei) von Kant, wie er den kategorischen Imperativ auf einem “dialektischen Schleichwege” entwickelt. Es folgt eine Tirade über Spinoza, welcher hierbei noch schlechter als Kant exponiert wird.

Triebe in der Philosophie

Es wird herausgestellt, dass jede Philosophie bis jetzt eine Selbstbekenntnis deren Urhebers zu einer gewissen Moralvorstellung, welche die Grundlage bildete, war – dies geschah jedoch “ungewollt und unvermerkt”. Hierbei wird angemerkt, dass es hilfreich ist, sich bei metaphysischen Aussagen auch das moralische Endziel zu vergegenwärtigen. Nietzsche behauptet, dass der Trieb zur Erkenntnis nicht das hauptsächliche Momentum in einem Philosophen ist, sondern das diese Triebe vielfältiger Natur sein könn, ja sogar jeglicher. Hierbei scheint es auch ein selbstständiges Kräftemesser unter den Trieben zu geben, welche “herrschsüchtig” sein sollen. Zwar gibt es Menschen mit ausgeprägtem Erkenntnistrieb, doch diese neigen nicht zum Philosophieren, sondern können sich diesem Eifer an allen möglichen Stellen der Wissenschaft hingeben, was sie dann aber auch nicht “bezeichnet”. Hierauf wird die Moral als Ausprägung aufgefasst, welche sich nach der Stärke der einzelnen Triebe im Charakter eines Menschen richtet.

Gemäß der Natur

Nietzsche wundert sich, dass es solche “Stoiker” geben sollte, welche gemäß der Natur leben wollten. Doch zuerst merkt er an, wie man dies sich nur als Ziel setzen kann, wo doch diese so erbarmungs, maß und rücksichtslos sei. doch der viel einleuchtendere Punkt ist, wie man überhaupt unnatürlich leben könne. Zwar wird das Leben als Gegenpol zur Natur gesehen, doch gleichzeitig ist der Mensch an seine eigene Natur gebunden. Das heißt der Mensch ist gar nicht in der Lage nicht gemäß dem Leben zu leben.

Wenn diese von N. so betitelten Stoiker jedoch fordern gemäß der Natur zu leben, so fordern sie eigentlich genau das Gegenteil, nämlich, dass sich die Natur dem Menschen anzupassen habe. Dies erzwinge aber einen falschen (stoischen) Blick auf die Natur, welcher falsch sein muss.

Hiernach wird der Bogen zur Philosophie geschlagen, welche angeblich immernoch das gleiche zu vollziehen scheint. Denn ab einem gewissen Punkt fange diese an, an sich selbst zu glauben. Dieser Glaube entäußert sich im geistigen Wille zur Macht, “zur Schaffung der Welt” (@HegeWdL Anmerkungen 4 in Werden). Hierbei wird auch die “causa prima”, also der erste Grund erwähnt, was wiederum an Aristoteles erinnert, welcher immer von den ersten Ursachen spricht.

Der Wille zur Wahrheit

Nietzsche vermutet, dass hinter dem Drang das Problem “von der wirklichen und der scheinbaren Welt” zu lösen, nur ein einfacher Wille zur Wahrheit steckt, was aber keine sehr populäre Meinung zu sein scheint. Hierbei soll es zwar einige Metaphysiker geben, welche eine kleine Sicherheit einem großen Fundus an Möglichkeiten vorziehen sollen, doch darüber hinaus auch Extremfälle, welche ein “sicheres Nichts” einem ungewissen Etwas vorziehen. Dies soll aber Zeichen von Nihilismus sein und somit nicht zielführend. Gewissheit scheint also nun keinen bestimmten oder hohen Wert mehr zu haben. Weiterhin scheint es nach N. Denker zu geben, welche “Schein” und “Perspektive” als etwas Abfälliges betrachten.

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