Blogito, ergo sum.

Schubladen

Einteilen

Wie teilen wir uns unsere Welt so ein? Nunja, da gibt es die Männer und Frauen, die Weißen und die Schwarzen, die Armen und die Reichen, die Schlauen und die Dummen. Dann die Hipster, die Gangster, die Punks, die Nerds, die Nazis, die Ökos, die Goths, die Metalheads und die Chayas. Dann gibt es die Scientologen, die Christen, die Katholiken, die Protestanten, die Orthodoxen, die Juden, die Hindus, die Konfizionisten, die Buddhisten, die Atheisten. Dann gibt es die Heteros, der Transen, die Homos und die die selbst nicht wissen, was sie sind. Dann gibt es die Trainierten, die Bierbauchträger, die Flachbrüstigen, die mit den Rieseneutern, die mit den Pferdebeinen. Die Rocker, die Schranzer, die Hopper, die {Black, Death, Pagan, Viking, Mittelalter, Power, Heavy}-Metaller. Dann gibt es die Sportler, die Musiker, die Künstler, die Astronauten, die Prediger, die Handwerker, die Intelektuellen, die Fließbandarbeiter. Dann gibt es die Fleischesser, die Vegetarier, die Veganer und die Frutarier. Dann gibt es die Lieben, die Netten, die Sympathischen, die Arroganten, die Untreuen, die Verlässlichen, die Ergeizigen, die Faulen, die Gleichgültigen, die Antriebslosen, die Arschlöcher, die Träumer, die Waghalsigen, die Abenteuerlichen. Die Unschuldslämmer, die Ladendiebe, die Drugaddicts, die Dealer, die Kinderschänder, die Nekrophilen. Doch wie entstehen solche Kategorien? Ich kann mir vorstellen, dass Dinge wie die eigenen Erfahrungen, die Erziehung und das eigene Umfeld eine wichtige Rolle in diesem Prozess Kategorisierung spielen. Es stellt sich mir auch die Frage, wie statisch solche Kriterien sind. Wie leicht oder schwer lassen sich diese beeinflussen? Sind sie überhaupt von außen änderbar? Kann diese Veränderung nur von Innen heraus passieren?

Einordnen

Es ist so eine große Auswahl. Der erste Anblick, der erste Satz, die erste Geschichte, die einem erzählt wird. Die äußerlichen Dinge sind ja auch selten von der Hand zu weisen. Doch wie sieht es mit den Charakterzügen aus? Welche Anhaltspunkte benutzen wir unterbewusst, um uns davon eine Meinung zu bilden und die passende Schublade zu finden? Das eigene Umfeld, das einen gewissen Gruppenzwang auf uns ausübt, spielt wohl eine recht große Rolle. Jemand, der in einem recht liberalen Haushalt aufwächst, wird schon verpflichtende Krankenversicherung als puren Kommunismus empfinden. Jemand, der in einem eher sozialen Umfeld aufwächst, wird auch mit Mindestlohn keine allzugroßen Schwierigkeiten haben. Das heißt die Schubladen, in welche man sich selbst eintütet bestimmen vielleicht auch, die in die man Andere reinsortiert. Die Frage, die sich mir auch stellt ist, wie lange es dauert, bis wir “geprägt” sind. Bis wir denjenigen erstmal nichtmehr aus der Schublade rauslassen. Und vor allem, wie lange es dauert bis er überhaupt erstmal in einer gelandet ist. Was muss passieren, dass wir es jemanden erlauben von einer in die nächste Schublade zu kriechen? Oder treten wir ihn dann dahin? Oder versuchen wir ihn solange, als nur möglich in einer zu lassen? Gibt es eigentlich Menchen, die sich schwerer einordnen lassen, als andere? Vielleicht einige, die garkeine sehr herausstechenden Merkmale, Äußerlichkeiten oder Charakterzüge haben. Oder solche, die einfach sehr “unpassende” Einstellungen oder Eigenschaften in Bezug auf verschiedene Kriterien haben. Man kommt wohl leichter mit einem veganen Öko klar, als einem tierlieben Nazi.

Konsequenzen

Doch welche Folgen hat es denn nun, dass man eine bestimmte Person in einer Kategorie festgezurrt hat? Ist es wirklich so einfach, dass man bestimmte Schubladen einfach für gut befindet, andere für eher nicht so gut? Wo zieht man dann die Grenze für sich persönlich für einen “guten” Menschen? Eine, zwei oder drei “schwarze” Schubladen sind ok? Garkeine? Müssen die Guten nur überwiegen? Zählen mache mehr als andere? Sprich - gibt es eine Gewichtung? Gut klar der Kinderschänder ist wohl eher ein No-Go als der Frutarier. Selbst wenn beides sehr extrem ist. Doch stellt man wohl ausgehend von der Einsortierung auch gewisse Erwartungen an die jeweiligen Personen. Woher sonst soll der Satz “Das hätte ich aber von dir nicht erwartet!” kommen? Es gibt noch hunderte andere, welche solch eine vorherige Beurteilung durchschimmern lassen. Aber es hat so viel Einfluss darauf, wie wir uns verhalten. Wem wir bestimmte Dinge anvertrauen, wen wir um Gefallen bitten, wem wir uns hingeben, wen wir hassen, wen wir lieben, wen wir respektieren. Wie verhalten wir uns gegenüber Menschen, die sich nicht so leicht einordnen lasse?. Was ist beispielsweise mit Serdar Somuncu? Soweit ich weiß hat er Migrationshintergrund, ist aus der Schule geflogen, hat jahrelang “Mein Kampf” vorgelesen, war Regisseur am Theater, ist Musiker und Kabarettist. Bringt auf der Bühne solche Sätze wie “[…] Ich würde gerne mal wieder nen Kind ficken […]” (Der Hassprediger). Ja aus dem Kontext gerissen, aber allein die Tatsache, dass er es gesagt hat, zählt hier gerade. Keine zehn Sekunden später ist er auf der gleichen Bühne schon wieder in der Lage komplexe Zusammenhänge zumindest sehr differenziert und kritisch zu beleuchten. In welcher Schublade steckt er? Er hat wohl eine eigene. Ein Kommilitone meinte neulich, dass Schubladendenken ja garnichts schlimmes ist, solange es viel mehr Schubladen als Menschen gibt. “Solche Leute” sind also nichtmehr existent. Jeder hat einen eigenen Platz. Die individuelle Schublade, die uns passt. In der wir uns wohl fühlen. Die uns vielleicht nicht immer sofort von anderen abgrenzt, aber dennoch wohl unterschieden werden kann. Doch dann sind sie wohl auch komplett überflüssig. Denn wozu brauchen wir Schubladen? Um zu ordnen. Doch Individuen lassen sich nicht ordnen…

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